Der Hexensabbat by Ludwig Tieck

Der Hexensabbat by Ludwig Tieck

Autor:Ludwig Tieck
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-01-07T23:00:00+00:00


Nachdem sich das Volk wieder zerstreut hatte, sah man den Kanonikus Melchior mit seinem Vetter, dem jungen Ritter Köstein, über den Platz wandeln. Sie erwarteten den jungen Flamand, den Advokaten, um den verwundeten Denis wieder zu besuchen, und seine Aussage, wegen des Mordes, aufzuschreiben. Der Kanonikus war sehr verstimmt und aufgeregt, weil es ihn verdroß und erschreckte, daß ein Prälat, den alle bis dahin nur geringgeschätzt, ja wohl verachtet hatten, plötzlich eine so drückende Tyrannei über sie alle ausübte. Die letzte Begebenheit, von der er Zeuge gewesen war, hatte ihn erschreckt und um alle Fassung gebracht. Jetzt, sagte er zu dem Jüngling, kann es kaum einer mehr wagen, ihm zu widersprechen, wenn er nicht sogleich Gefahr laufen will, auch als Zauberer dem Gefängnis überliefert zu werden. Das gräßlichste Unheil schwebt uns allen über den Häuptern; denn da er keinen Anstand genommen hat, den wackern Taket, welchen die ganze Stadt ehrt und liebt, unter diesem Vorwand gefangenzunehmen, so wird er nicht zaudern, auch den Vornehmsten und Frömmsten zu bezichtigen. Es ist furchtbar und entsetzlich, daß aus einem so unscheinbaren Funken sich so plötzlich diese Flamme hat entzünden können.

Er kämpft für seinen Stand und für Euch, sagte Köstein; und wenn der Mann nicht so ausgemacht dumm wäre, so könnte man ihn für einen der allerlistigsten Priester halten, die nur jemals die Welt regiert und betrogen haben. Aber er ist so gewissenhaft dumm, daß er gewiß Zeit seines Lebens noch niemals eine List begriffen, noch weniger eingefädelt hat.

Wie meint Ihr das? fragte Melchior.

Ihr seht ja, antwortete der Ritter, daß es von jeher einen Kampf zwischen den Geistlichen und Weltlichen gab. Diese Kriege, welche sie miteinander führen, erscheinen in verschiedenen Gestalten, und bald ist das Recht auf dieser, bald auf jener Seite, oft haben beide Parteien gleich viel Recht und Unrecht. Seit lange scheint mir die Sache schon so verwickelt, die vielfältigen Fäden so verschlungen, die eigentliche Religion aber so tief in den Knoten hineingeknüpft, daß sie keiner mehr sehen und unterscheiden kann, wobei es doch noch eine Frage bleibt, ob durch einen künftigen Alexander, wenn er das Gestricke mit dem Schwerte durchhaut, die Welt was Erkleckliches gewinnen möchte.

Junger Mann, sagte Melchior, Ihr sprecht heut, gegen Eure Gewohnheit, so vielsinnig, daß ich Eure Meinung kaum erraten kann.

Und doch habt Ihr die Historien studiert, antwortete Köstein, und die Geschichte Eurer Kirche und ihrer Ausbreitung, sowie Eurer Händel mit tausend Ketzern und vielen Sekten, mit den Deutschen Kaisern und den Tempelherren und Frankreich. Mir scheint, die Kirche ist dadurch so mächtig, und zu Zeiten so allmächtig geworden, daß ihre Satzungen, Lehren, Wunder, Heilige und Feste sich immer vermehrt, und das erste unscheinbare Bild zu einem gewaltigen Koloß ausgearbeitet haben. So folgt jeder neuen Lehre und Erscheinung, jeder Offenbarung, eine neue Auslegung, ein neues Fest, ein neuer Kirchendienst. Die Menge wird durch die sinnliche Erscheinung, durch den Aberglauben, durch Beichte und Ablaß gefesselt und regiert. Die Vorbitten der Heiligen, die Wallfahrten, das Jubiläum, die Orden und Bettelmönche, die neuen Wunder, alles dient nur, die Kirche und ihren



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